Das Ende der Republik
Zu den alten Freunden Franz Blei, Georg Eisler und Erik Peterson kamen jetzt Ernst Jünger und dessen Umfeld mit Ernst Niekisch und Veit Rosskopf. Schmitt hatte Kontakte zu Publizisten wie Paul Adams mit der Zeitschrift Germania, Friedrich Vorwerk mit dem Ring, Wilhelm Stapel mit dem Deutschen Volkstum und Prinz Rohan mit der Europäischen Revue, dagegen gab er die Zusammenarbeit mit dem katholischen Hochland auf. Für die Atmosphäre der Zeit war typisch, dass Schmitt auch an einer Sitzung der Arbplan (Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Planwirtschaft in der Sowjetunion) teilnahm, in der neben Ernst Jünger und Niekisch von linker Seite Karl August Wittfogel und Georg Lukacz anwesend waren.
Durch Vermittlung Bleis konnte er die Fahnen von Musils Mann ohne Eigenschaften lesen, er hielt Rundfunkvorträge, sah Stummfilme, den Klassiker zum Prozess der Jeanne d’Arc von Carl Theodor Dreyer mindestens zehnmal. Im August 1931 wurde Schmitts Tochter Anima geboren.
Ab 1930 regierte Reichskanzler Brüning ohne parlamentarische Mehrheit mit Hilfe des Notverordnungsrechts nach § 48 der Weimarer Reichsverfassung. Versuche Carl Schmitts, in der konkreten Politik mitzuwirken, durch Kontakte z. B. zu Brüning, den er aus der Bonner Zeit kannte, scheiterten. Das änderte sich mit der Kanzlerschaft Papens. Als nach dem Preußenschlag vom 20. Juli 1932 die abgesetzte Regierung des Landes Preußen beim Staatsgerichtshof in Leipzig Klage erhob, wurde Schmitt von der Reichsregierung als einer ihrer Prozessvertreter beauftragt. Auch hatte er inzwischen enge Mitarbeiter von Reichswehrminister Schleicher kennengelernt, wie Erich Marcks und Eugen Ott.
In dieser Krisenzeit veröffentlichte Schmitt die Schrift Legalität und Legitimität mit ihrer Kernthese, dass nach dem herrschenden juristischen Positivismus die Substanz der Verfassung geändert werden könne, ohne dass politisch nach Freund und Feind gefragt werde, mit der Folge, dass auch verfassungsfeindlichen Parteien der Zugang zur Macht nicht verwehrt werden könne. Der liberale Gesetzgebungsstaat setze bei Parteien eine ‚legale Gesinnung‘ voraus, so dass Gegner eine gleiche Chance auf politische Machtgewinnung bekämen. Gelänge es einer verfassungsfeindlichen Partei, legal an die Macht zu kommen, könne sie die Tür der Legalität hinter sich schließen. Das wäre dann eine ‚legale Revolution‘. Ein Ausweg aus der Unfähigkeit des Weimarer Parlamentarismus, stabile Regierungen zu bilden, war für Schmitt die Etablierung eines Präsidialsystems mit einem vom Volk gewählten Reichspräsidenten, der den unter dem Druck von Interessentengruppen quantitativ total gewordenen pluralistischen Parteienstaat ablöst und einen qualitativ totalen Staat schafft, der die neuen technischen Machtpositionen ergreift und Film und Rundfunk monopolisiert – später wird Schmitt präzisieren, dass nicht Staaten, sondern nur Parteien Träger der Totalität sein können.
Nach der Ernennung Schleichers zum Reichskanzler Anfang Dezember 1932 war Schmitt durch Ott und Marcks in aktuelle Staatsnotstandspläne zur Verhinderung des Machtantritts Hitlers eingebunden, die nach dessen Ernennung zum Reichskanzler Ende Januar 1933 obsolet wurden. Inzwischen hatte Schmitt einen Ruf an die Universität Köln zum Sommersemester 1933 angenommen und sich damit von der Reichshauptstadt distanziert.